Blitzschutz


Thomas Eulenberg SY- NOVEMBER

Einer der hartnäckigen Mythen bei Seglern ist es, zu glauben, dass ein Blitzableitersystem
den Blitz anziehen und dann sicher ins Wasser ableiten soll. Weiter wird irrtümlich
angenommen, dass der Blitzschlag ein Gleichstrom-Ereignis ist und dass daher zur
elektrischen Installation auch Gleichstromtechnik angewendet werden soll. Daher sollen hier
einige grundsätzliche aus verschiedenen Veröffentlichungen zusammengeführte Fakten
aufgeführt werden, um die Wirkungsweise von Blitzschutzanlagen zu verstehen und eigene
Anlagen auf ihre Sicherheit zu prüfen. Das Thema ist ein wenig technisch und trocken, was
man von dem Ereignis eines Gewitters nicht sagen kann.

• Der sehr hohe elektrische Strom während eines Blitzeinschlages erzeugt sehr
hohe Spannungen an elektrisch relativ kleinen Widerständen. Daher muss jeder
Leiter, der diese Ströme ableiten soll, einen aussergewöhnlich kleinen
Widerstand haben, sonst entstehen örtlich hohe Spannungsdifferenzen, die "
Seitenblitze " oder "Seitenschläge" hervorrufen, wobei Objekte (oder Crew ) auf
oder im Boot betroffen werden, die nicht zum Blitzableitersystem gehören.

• Obwohl ein Gewitter beim Aufbau der Ladung in den Wolken vor dem Eintreten
des Blitzes ein statisches (Gleichstrom) elektrisches Ereignis ist , bildet sich
beim Blitz selber durch die spontan sich ändernden Ströme ein hochfrequenter
Wechselstrom. Daher muss der eigentliche Blitzschlag als Hochfrequenz- und
nicht als Gleichstromerscheinung behandelt werden. Dadurch wird der oben
erwähnte "Widerstand" ein komplexes Gebilde, "Reaktanz" (Blindwiderstand)
genannt, der sehr viele schwieriger zu verstehen ist und unmöglich ganz
ausgeschaltet werden kann.
Die Kriterien für die Auslegung und Installation von Blitzschutzanlagen müssen
daher auch HF- Verdrahtungspraktiken berücksichtigen, wobei u.a. in der
Leitungsführung auf grosse Bögen (keine Knicke) und ein absolutes Minimum
an Übergängen jeder Art geachtet werden muss. In der einschlägigen Literatur
wird darauf im Detail eingegangen.

• Der eigentliche Einschlag ist das sichtbare Zeichen eines komplizierten
Prozesses. Der Einschlag ist beeindruckend, aber die unsichtbaren Vorstufen
diese Prozesses haben eine Schlüsselstellung in der Auslegung eines
Blitzableitersystems, denn das Ziel ist es, einen Blitzeinschlag zu vermeiden.

• Wenn ein Blitz einschlägt, dann hat System seine erste Aufgabe verfehlt und
sollte sich nun selbst "opfern" um ernste Gefahr von Boot und Crew
abzuhalten oder zu vermindern.
Die Vorbereitung eines Blitzschlages ist ein statisches Gleichstromereignis. Prinzipiell sind
die Ladungen auf den Oberflächen der Wolken so verteilt, dass die oberen Schichten positiv
und die unteren Schichten negativ geladen sind. Die Bereiche ( Wasseroberfläche und Boot)
unter den Wolken laden sich wiederum positiv auf. Dabei treten die Entladungen entweder
zwischen den Wolken oder zwischen Wolke und Erde auf. Die Gewitterwolke zieht einen
positiven Ladungs-"schatten" auf der Wasseroberfläche mit sich ,der sich beim
Hinwegziehen über das Boot mit der auf dem Boot schon vorhandenen Ladung vereint.
Diese Ladung akkumuliert auf den Spitzen der hochgelegenen Teile des Bootes. Die Luft als
schlechter elektrischer Leiter isoliert die Ladungen und verhindert einen Stromfluss solange,
bis sich eine genügend hohe elektrische Ladung aufgebaut hat. Dann entlädt sich der Strom
auf stufenähnlichen Sprüngen jeweils ca. 50 m abwärts und die nächste Entladung folgt der
ersten, was die "Zacken" der Blitze erklärt. Wenn diese aufeinanderfolgenden Blitzarme ca.
150- 200 m über dem Erdboden angekommen sind, wird die Ladungsintensität auf dem
Wasser so gross, dass das Isoliersystem der Luft zusammenbricht und ein Schlag von unten
sich mit den Blitzarmen verbindet und so zur eigentlichen Entladung in dem ionisierten
Luftstrahl führt, dabei treffen sich die beiden in ca. 50 m über der Wasseroberfläche.

Während des Aufbaus von Energie in den Wolken über dem Boot soll ein gutes
Blitzableitersystem ähnlich wie das Sicherheitsventil auf einem Dampftopf diese elektrische
Ladung so schnell wie möglich ableiten, damit es nicht zu einem Zusammenbruch der
isolierenden Luftschicht zwischen den Wolken und dem Boot und damit zum Blitzeinschlag
selber kommt. Diese Ladungsableitung ist die eigentliche Aufgabe eines Blitzableitersystems
und wenn das System gut aufgebaut ist ,kann es die Möglichkeit eines Einschlages
vermindern , indem es das elektrische Potential ( = Ladungsdichte) an der Mastspitze dem
der Wasseroberfläche angleicht. Übrigens ist nicht die Höhe des Mastes für das Auslösen
eines Blitze entscheidend, sondern das elektrische Potential, das auf dem Boot herrscht.
Theoretisch kann also der Rudergänger eher von einem Blitz getroffen werden ,wenn sein
elektrisches Potential grösser ist als das an der Mastspitze.

Es gilt, zwischen den Begriffen "Erden" , "Potentialausgleich" und "Funkerde" zu
unterscheiden, obwohl oft elektrische Systeme an Bord mehrere Funktionen haben können.
Dazu findet man in den VDE- und DIN Vorschriften, sowie bei der Seeberufsgenossenschaft
vorzügliches Schriftmaterial. Hier soll nur prinzipiell der Unterschied beschrieben sein.
Erdung eines Blitzableitersystem auf einem Boot mit Niederspannungsanlagen kleiner 30 V
ist eine leitende Verbindung mit grossem Querschnitt ( in der Literatur beschrieben min
AWG#2 = 35 qmm bis AWG # 2/0 = 70 qmm ‚ auf der ganzen Strecke zwischen allen
metallischen Teilen vom Mast bis zum Kiel/Rumpf ( Mast, Decksdurchführung, Maststempel
in der Kajüte, Wanten, Stagen Kiel und das pro Mast , also bei einer Ketch auch für den
Besan) und Steuerstand.

Potentialausgleich ist die Verbindung aller Metallteile an Bord, also Motor, -Pol der Batterie,
Bordventile, Propellerwelle, Gehäuse elektrischer und elektronischer Geräte,
Druckwassersystem (Wenn metallisch), Rudersystem, Nirotanks , wenn das elektrische
Bordnetz ein System mit dem Minuspol an Masse ist, das erkennt man daran, dass z. B. der
Motorblock mit dem -Pol der Batterie verbunden ist.
"Funkerde" ist ein System, bei dem die Gehäuse der SSB- und VHF-Radios, Tuner und der
Aussenmäntel der Koaxkabel mit einer Metall-Platte oder einem " Erdungsschwamm"
(Dynaplate) am Rumpf elektrisch verbunden sind, dabei sollte die Platte so gross wie
möglich, d.h. soviel Oberfläche wie möglich haben. Sie muß übrigens nicht unbedingt aussen
am Rumpf befestigt werden, auch innen in der Bilge kann eine grosse Metallplatte eine sehr
gute "Funkerde" abgeben. Hierbei ist besonders wichtig, dass der Tuner mit einer
grossflächigen Metallverbindung verbunden ist, dazu eignet sich übrigens auch die
Seereeling, wenn sie aus Metall oder Niro-Draht ist.

Dabei soll nun:


• die "Erdung" auch grosse Ströme leiten können (Grosse Querschnitte),

• der Potentialausgleich sicherstellen, dass keine oder nur geringe

Spannungsunterschiede zwischen den jeweiligen Minus oder Massepunkten der
Elektroinstallation herrschen und

• die "Funkerde" ein "Gegengewicht" zur Antenne darstellen, sie ist ein Teil der
Antenne.
Wenn alle drei Systeme ganz , oder wo möglich teilweise miteinander verbunden sind, ist
das wünschenswert und nicht schädlich. Allerdings muss man sich im klaren sein, dass
diese Verkabelungen immer potentielle Korrosionsquellen sein können.
Ein Blitzableitersystem sollte aus folgenden Teilen bestehen. Unter Wasser: Eine grosse
leitende Oberfläche (min 0,75 qm), die direkt mit dem Wasser in Verbindung steht (
Farbanstriche auf dieser Fläche können negativ wirken, wenn sie nicht leitend sind.) .
Besonders für Boote, die in Süsswasserrevieren fahren ist wegen der geringeren
Leitfähigkeit von Süßwasser eine große Fläche nötig. : für Holz- und GFK-Boote ist ein
langes schmales Kupferband ca. 5 cm breit und wenn möglich einmal um den Rumpf
angenommen 16 m = 0.8 qm) aufgeklebt, ist nach Expertenmeinung besser als die gleiche
Fläche, aber in einer Platte von 100 mal 80 cm.

Eine Verbindung dieses Bandes durch den
Rumpf nach innen erfolgt durch Bolzen aus Bronze mit grossem Querschnitt ( 10 mm min.
sagen die Experten). Dynaplate, bzw., "Erdungsschwamm" wird kontrovers diskutiert, es gibt
die Meinung, dass im Falle eines Einschlages die immens hohen fließenden Ströme den
Block so erwärmen können, dass das Wasser in den Poren des schwammigen
Bronzeblockes spontan verdampft und der Block durch den Dampfdruck explodiert.
Verbindung des Guss- oder Bleikiels durch die Kielbolzen ist auch vorgeschlagen, wie bei
allen leitenden Verbindungen muss besonders hier mit elektrolytischer Korrosion gerechnet
werden.

Wenn das Kiel/Bolzensystem nicht auf Korrosion geprüft werden kann, weil vergossen oder
aus anderem Grund nicht zugänglich, dann gibt es hier zumindest eine potentielle
Gefahrenquelle. Metallkiele haben aber den grossen Vorteil grosser Oberfläche.
Mit diesen Anschlussbolzen muss der Mast und die Wanten/Stagen auf kürzestem Wege mit
Kabel oder Geflechtband von entsprechendem Querschnitt verbunden werden. Besonders
an der Decksdurchführung und zwischen Mast und Mastschuh sollte für beste Verbindung
gesorgt sein, hier eignet sich flexibles Alugeflechtband für Alumasten oder Batterie-
Kupfergeflechtband für Holzmasten.

Oben auf den Mast kommt je nach Mastmaterial ein Metallstab, der min 15 cm über dem
höchsten Mastpunkt, meistens die VHF-Antenne, steht und leitend mit dem Mast verbunden
ist. Dieser Stab soll entweder eine scharfe Nadelspitzenform haben, oder wie ein Pinsel aus
vielen dünnen nach oben stehenden Metalldrähten bestehen. Eine über das Koaxkabel
geerdete VHF-Antenne ist auf keinen Fall geeignet.
Elektronikgeräte , wie GPS, VHF etc. werden am besten gegen Blitzschutz durch Einbau in
hermetisch geschlossene und geerdete Metallbehälter geschützt, das ist die in Flugzeugen
angewendete Technik . Das Ist zwar der beste Schutz, aber natürlich sehr aufwendig, eine
andere Möglichkeit ist der Anschluss von Überspannungsschutzschaltern ( surge
suppressors) an den Spannungsversorgungskabeln von jedem Gerät und das Verdrillen der
Versorgungsleitungen. Weiterhin können an Geräten, die an einer Antenne angeschlossen
sind, sogenannte " Funkenstrecken" installiert werden, diese haben Anschlüsse zum
Einschleifen in das Koaxkabel und zur Erdung.

Blitzableitersysteme müssen systematisch gewartet werden, indem die Anschlüsse und
Kabelübergänge auf Korrosion und Übergangswiderstand geprüft werden. Das bedeutet
auch, dass sie zugänglich verlegt sind. Besonders beim Kauf eines Bootes , neu oder
gebraucht sollte auf Zugänglichkeit geachtet werden.
Bei allen Vorsorgemassnahmen muss man sich aber im klaren sein, dass es einen
hundertprozentigen Schutz vor Einschlag nicht gibt, dazu sind die auftretenden Ströme und
Spannungen und damit die Leistung eines Blitzes einfach zu gross. Man muss auch wissen,
dass durch diese kurzfristig auftretenden Leistungen und die dadurch entstehenden
Magnetfelder auch nicht angeschlossene ( vor allem elektronische ) Geräte zerstört werden
können. Aber die hier aufgeführten Massnahmen verringern erheblich das Risiko von
Zerstörung des Bootes oder Gefährdung von Menschenleben. Es ist sicher ein Unterschied,
ob nach einem Einschlag das Boot sinkt, weil die Bordventile aus dem Rumpf geschlagen
wurden, oder ob "nur" der GPS seinen Geist aufgegeben hat. Da kann man zur Not einen
zweiten ( in einer Alubox geerdet) an Bord haben.

Schon die englische Marine gab in einer Statistik von 1795 bis 1815 150 Einschläge auf
Schiffen mit Folgen, davon jeder achte mit Feuerausbruch an, wobei 70 Seeleute umkamen.
Und nach neuen amerikanischen Statistiken kommen jährlich im Mittel 95 Menschen durch
Blitzschlag ums Leben, davon 13 Prozent in offenen Sportbooten. Bei den gemeldeten
Schäden durch Blitzeinschlag waren in Salzwasser ca.10 Prozent und im Süsswasser ca. 30
Prozent mit Löchern im Rumpf, die grösser als 6 mm waren. Wenn man nun daraus die
Schlussfolgerung ziehen will gibt es wohl folgende Taktik anzuwenden.

• Gut installierter Blitzschutz

• Regelmässige Wartung dieses Blitzschutzes

• Gute Seemannschaft, d.h. vor dem Einlaufen in ein Gewitter prüfen, ob man es
umfahren kann. In der Karibik haben viele Gewitterfronten eine Ausdehnung von
einer bis zwei Meilen und da lohnt sich vielleicht schon der Umweg, um nicht genau
im "Schatten" weiterzulaufen. Die Ausdehnung von Gewitterfronten kann man
übrigens gut mit dem Radar abschätzen. Wenn das Umfahren nicht geht, das Boot so
stellen, dass das Deck aufgeklart ist, die Segelfläche entsprechend reduziert (Nasse
Segel leiten gut) und das Schiff wenn möglich alleine laufen kann , damit die
Mannschaft unter Deck kann. Die Bilge soll trocken sein, Leckstopfen zum Abdichten
von Seeventilen griffbereit.
• Während des Gewitters sollte an Bord nichts geändert werden, was das elektrische
Potential verändern könnte, z.B. keinen Anker werfen, anlegen oder ins Dinghi
steigen.
Wer länger in Gewittergegenden, wie Florida, Karibik, Afrika oder der ITC gesegelt ist, wird
das Thema wahrscheinlich ernster nehmen, als jemand, der Im Mittelmeer einmal im
Sommer ein "Gewitterchen" mitbekommt, der Aufwand für ein Blitzableitersystem ist
jedenfalls auf Metall- oder GFK Booten mit Alumast klein im Verhältnis zur erhöhten
Sicherheit

 http://www.bluewater.de/blitzschutz3.htm





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