Seit
nunmehr zwei Tagen sind wir wieder in Bewegung, wenn auch mehr vertikal
als horizontal, aber immerhin - der Kurszeiger steht auf Horta.
Nachdem
unser Mast über Bord gesprungen ist, sind wir zunächst 50sm durch die
Nacht mit Ostkurs motort. Am nächsten Morgen habe ich dann unser
Surfsegel geriggt und wir sind mit diesem jämmerlichen Ding immerhin
120sm gefahren - im Bogen zunehmend südlich, bis der Wind derart stark
von Osten kam, dass wir das Segelchen flach legten und beigedreht den
Sturm abwetterten. Es trieb und mit einem Knoten westwärts, was ich
durch einen selbstgebastelten Treibanker nochmals zu bremsen versuchte.
So harrten wir eineinhalb Tage in Berg- und Talfahrt aus und verloren
dabei über 30sm zu unserem Ziel. Da wir lediglich etwa 150liter Sprit
im Tank hatten, war klar, dass wir niemals zu den Azoren unter Motor
kämen - und mit was sonst, wenn der Wind uns keine Chance lässt?
Am
16.5.2009 kam per Mail die Nachricht, dass der Frachter DENISE mit
Sprit im Anmarsch sei. Wie auch immer war die Freude nur kurz, denn er
konnte uns nicht finden und ist wieder seines Weges gezogen.
Nachmittags
dann die neue Meldung des RCC-Norfolk, dass der Tanker ALPHA ERA auf
uns zu hält. Nach heftigen Mail-Orgien habe ich einen Treffpunkt auf
der gedachten Verbindungslinie vorgeschlagen, der die Strecke etwa im
Verhältnis unserer Geschwindigkeiten teilt. Umgehend wurden die
Maschinen angeworfen mit Kurs 020, dem Tanker entgegen, damit die
Übergabe noch bei Tageslicht stattfinden kann.
Um 1900UTC dann endlich Funkkontakt mit ALPHA ERA. Kurz darauf wurden wir von ihnen gesichtet. Exakt auf der vorausberechneten Position drehte der Tanker nach Stb ab und stoppte die Maschinen. Wir waren nun noch wenige Minuten entfernt und hielten auf das Heck des Riesen zu. Sicherheitshalber brachten wir Bb zwei dicke Fender aus, falls uns die Bordwand zu nahe käme. Milena wurde mit einem Hörbuch im Salon geparkt und die restlichen Matrosen platzierten sich mit Einpickgeschirr und Rettungswesten an Deck. Als wir am Heck vorbei im Lee des Stahlkolosses an seiner Steuerbordseite entlang fuhren winkte uns die wartende Crew an der Reling etwa mittschiffs, wo zwanzig blaue Kanister aufgereiht standen.
Ich
hielt unser Boot bei 1-2kt Fahrt in möglichst gleichem Abstand von der
Stahlwand, wobei uns die Wellen ständig auf und ab hoben. Eine
Wurfleine wurde zu uns herüber geschmissen, die Felix gleich aufnahm.
Am anderen Ende wurden eine zweite Leine und der erste Kanister
befestigt. Ein Seemann ließ den Kanister ab, Felix und Carina holten
die (ziemlich schmutzige) Wurfleine ein und hievten den ersten Kanister
an Bord, der von Moritz gleich ins Cockpit geschafft wurde.
Nach
einigen derartigen Manövern bekam die Truppe sichtlich Routine und es
dauerte keine halbe Stunde, bis die ganzen 500 Liter bei uns an Bord
waren. Der Kapitän, sein erster Offizier an der Reling und ich standen
die ganze Zeit per Funk in Kontakt. Am Ende der Aktion tönte es aus dem
Lautsprecher: “You asked for 400 Liter - we gave you 500 as a present
to you and your family. Good luck!”
Milena auf meinen Schultern, meine Matrosen Spalier an Deck - so verabschiedeten wir uns laut rufend und winkend von unseren Rettern. Wir werden Euch nie vergessen.
(Wolfgang)